Erasmusprojekt Scarborough

If you are going to Scarborough Fair

Zehn Schüler der dritten Klasse der Höheren Abteilung für Fertigungstechnik verbringen zwei Wochen am UTC, University Technical College, in Scarborough/Yorkshire

Die Medien überschlagen sich mit Meldungen zum bevorstehenden Brexit, dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien aus der Europäischen Union. Natürlich geistert dieses unsägliche Thema in den Köpfen der Menschen von Scarborough herum, in den Pubs hört man immer dieses Wort. Wenn man mit den Menschen spricht, bekommt man den Eindruck, dass eigentlich niemand diese Entwicklung wollte.

In den zwei Wochen, die die Schüler der dritten Fertigungstechnikklasse in Scarborough verbrachten, wurde eines klar: Die Jugend sprüht vor positivem Optimismus, sie ist weltoffen, geht auf die Menschen zu und will vor allem eines: Ihre Zukunft gestalten. Schon am ersten Tag, an dem sie in der malerischen Küstenstadt ankamen, tauchten sie ein in die Lebenswirklichkeit der englischen Familien, die ihnen für diese Tage Quartier, Verpflegung und soziale Einbettung gewährten. Die Einbindung der Familien in dieses Erasmus+-Projekt, das einen gegenseitigen Austausch von Schülern des UTC Scarborough und der HTL Ferlach vorsieht, erwies sich als großer Glücksfall. Die jungen Ferlacher, ein Mädchen und 9 Burschen, verbrachten viel Zeit mit den Familien. Sie schlossen Freundschaft mit den gleichaltrigen Sprösslingen, die alle das UTC besuchen und im September nach Ferlach kommen werden. Die Freizeit verbrachten sie gemeinsam mit ihren Gastgebern. So erkundeten sie die von einer Stadtmauer umgebene Stadt York, deren gotische Kathedrale weltberühmt ist, schlenderten durch den Hafen der pittoresken Küstenstadt Whitby, die von Gästen auch wegen ihrer einladenden Gaststätten mit ihren köstlichen Fischgerichten geschätzt wird. An Wochenenden empfiehlt sich eine Reservierung in einem der guten Lokale, ansonsten kann es schon passieren, dass man höflich aber bestimmt abgewiesen wird.

Der erste Tag in der Schule, es war ein Montag, wurde mit Spannung erwartet. Um 9 Uhr ist Schulbeginn. Nach und nach treffen die Schüler ein, schuleigene Busse holen jene, die nicht zu Fuß in die Schule gelangen können, von zu Hause ab. Die Mädchen tragen ein anthrazitfarbenes Kostüm, die Burschen einen gleichfarbigen Anzug, weißes Hemd und Krawatte sind ebenfalls ein Teil des Outfits. Alle müssen sich mit ihrer Karte beim elektronischen Eingangssystem registrieren. So weiß man in der Schule sofort, wer an diesem Tag nicht anwesend ist, ein Anruf bei den Eltern folgt umgehend. John Connell, der Vizedirektor und Koordinator des Erasmus+-Projektes, verweist stolz auf eine Anwesenheitsquote von 95 Prozent. John Connell und Lee Kilgour, der Direktor der Schule beobachten das Ankommen ihrer Schützlinge, etwa 200 Schüler besuchen die Schule, und sprechen sie wohlwollend auf etwaige Ungereimtheiten an, nicht selten wird der Sitz der Krawatte korrigiert.

Die Fertigungstechniker haben sich schnell an die neue Kultur gewöhnt, ab acht Uhr treffen sie in der Aula ein, die ein Ort der Begegnung ist. Die erste Woche werden sie empfangen von Mateja Lipović, die sie auf ihrer langen Reise am Sonntag, den 17. März 2019 von Laibach bis Scarborough begleitet hat – nach der Landung in Stansted erreichten die jungen Europäer mit einem gemieteten Minibus nach fünfstündiger Fahrt die mittelenglische Küstenstadt. Diese Stunde des Morgens war dem Gespräch zwischen Lehrerin und Schülern gewidmet. Sie erzählten von den Erlebnissen des vergangenen Tages, von Kinobesuchen war da die Rede, aber auch vom Hineinschnuppern in die Alltagsgeschichten, die sich in den zahlreichen Pubs ereignen. Tief beeindruckt waren sie von den vielen Spielsalons, wo man sich stundenlang vergnügen könnte.

Ihre erste Aufgabe bestand darin, ein Dekorationsobjekt, einen kleinen eisernen Baumstamm, in dem eine Axt verankert war, zu gestalten. Dazu mussten zahlreiche Stäbe angeschweißt werden. Bill, der Auftraggeber und Werkstättenlehrer, hat drei Tage für dieses Werk veranschlagt. Doch da hatte er nicht mit dem Elan der „Südländer“ gerechnet. Die jungen Techniker ergriffen sofort die Werkzeuge, legten die Schutzbrillen für das Schweißen an und begannen mit dem Anbringen der ersten Dekorelemente. So einen Einsatz sei er von seinen Schülern gar nicht gewohnt, meinte Bill und fügte an, dass er unsere Jugendlichen am liebsten am UTC behalten möchte. So kam es, wie es kommen musste: Die für drei Tage anberaumte Arbeit war schon am ersten Tag fertig, der dekorative Baumstamm musste lediglich noch lackiert werden.

Die gewonnene Zeit wurde aber nicht im süßen Müßiggang verbracht. Das UTC bietet den jungen Leuten eine Vielzahl von Betätigungsmöglichkeiten. Manchmal nutzten sie den Sportplatz vor der Schule, um Basketball oder Fussball zu spielen, die Österreicher waren dabei den Engländern zumindest ebenbürtig. Oder sie bauten in der Sporthalle Tischtennistische auf, um sich im Spiel mit der kleinen Zelluloidkugel zu matchen. Bei manchem war schon der Hang zum Meister zu erkennen.

Aber auch für das leibliche Wohl der Jugendlichen wird am UTC gesorgt. Um elf Uhr strömen alle, Schüler wie Lehrer, zur Kantine, um sich erstmals eine kleine Stärkung zu holen. Die Aula bietet genügend Sitzplätze. Um 13 Uhr ist dann die große Mittagspause, in der man ein warmes Essen genießen kann, der Menüplan ist abwechslungsreich, neben Fisch und Fleisch, werden auch vitaminreiche Speisen angeboten.

Das zweite große Projekt in der Werkstätte war das Design, die Konstruktion und der Bau einer Werkzeugkiste. Voller Elan machten sich die Fertigungstechniker an die Arbeit, es wurde gezeichnet, überlegt, die Bleche gebogen, verschweißt, eine Halterung wurde eingepasst. Schließlich wurde der Lack aufgesprüht, um das Werk in hellem, meist blauem, Glanz erstrahlen zu lassen. Es war eine Freude, die Begeisterung zu sehen, mit der die jungen Menschen zur Tat schritten. Dass sie dabei die einzelnen Arbeitsschritte und die Teile in Englisch zu benennen hatten, sei auch erwähnt.

Die englische Sprache wurde zum selbstverständlichen, alltäglichen Kommunikationsmittel. Die Schüler dachten und sprachen in Englisch, möglicherweise fühlten sie sich schon als Engländer. Der britische Humor lachte schon manchmal aus ihren Augen. Diesen Humor brauchten sie auch, als es an einem Nachmittag zum Surfen ging. Ja, richtig gelesen. Gekleidet in einem wärmenden Schwimmanzug schnappte sich jeder ein Brett und es ging an den Strand. Meterhohe Wellen stürzten ans Ufer, auch erfahrene Wellenreiter schauderten ob dieses Anblicks. „Zuerst auf dem Brett liegen, die Welle abwarten, Fahrt aufnehmen und rasch aufstehen, schon gleitet man dahin,“ so einfach wurde alles von den Surflehrern erklärt. Nach dieser kurzen Einweisung stürzten sich die Mutigen in die Fluten und hatten enormen Spaß. Es war ein einzigartiges Erlebnis, das Stoff für mindestens tausend und ein Geschichten liefern sollte.

Die Landschaft rund um Scarborough ist bunt und abwechslungsreich. Kommt man vom Meer erblickt man kilometerlange Klippen, in dessen Wänden die Seagulls, die wir Möwen nennen, ihre Nester bauen, um dort den Nachwuchs aufzuziehen. Wir durften erfahren, dass es viele Arten von Seagulls gibt, der farbenfrohe Puffin ist einer davon. Als Spaziergänger sollte man allerdings immer ein Auge nach oben richten, denn, dass alles Gute von oben kommt, kann in Scarborough nicht bestätigt werden. Fährt man von der Küste in das Land, so findet man sich bald umgeben von unendlich weiten Heidefeldern, in denen der nordenglische bzw. schottische Nationalvogel, the famous Grouse, nistet. Whiskeyliebhaber werden die Marke kennen. Peter, ein Lehrer vom UTC,erzählt, dass die Heide alle paar Jahre niedergebrannt werden muss, um theGrouse dazu zu bewegen, dort zu nisten. Ausladende Farmen prägen das Landschaftsbild, richtige Herrschaftssitze zeugen vom Reichtum, der auf Viehzucht und ein wenig Ackerbau aufbaut. Die Straßen folgen der hügeligen Landschaft, blinde Kuppen, sogenannte blind summits, sind keine Seltenheit, scharfe Kurven folgen meistens, möglicherweise ist hier David Coulthard, für nicht Formel1-Fans ein Formel1-Champion vor mindestens einem Jahrzehnt, zum Meister gereift.

Das UTC in Scarborough arbeitet eng mit der technischen Fakultät der Universität Hull zusammen, Hull liegt etwa eine Fahrstunde südlich von Scarborough. Von der Universität kommen Impulse, in welche Richtung die Ausbildung weiterentwickelt werden soll, derzeit sind digitale Elemente, insbesondere Cyber Security, im Fokus der Aufmerksamkeit. Ein Tag war dem Besuch dieser von zwölftausend Studenten bevölkerten Universität gewidmet. Robotik, 3D-Druck und Elektronik- sowie Elektrotechniklaboratorien wurden genau unter die Lupe genommen, ein in Deutsch gehaltener Vortrag über Flüssigkristalle, die die Grundlage jedes smartphone-Displays bilden, rundete diesen gelungenen Tag ab. Wissenschaftler der Universität Hull waren federführend an der Entwicklung dieser besonderen Form von Materie beteiligt. Der Campus ist sehr ausladend, die Gebäude sind ebenerdig, viele Gesellschaftsräume befinden sich auf dem Gelände, von Restaurants bis zu Shops mit Vintage-Produkten, den Studenten wird hier viel geboten. Wir fühlten uns gleich wohl in dieser Atmosphäre, die Freundlichkeit und Kommunikationsfreudigkeit unserer Begleiter von der Universität tat das Übrige.

Ein Besuch der Firma Unison, Marktführer im Biegen von Rohren aller Art, vermittelte einen Einblick in die Arbeitswelt in Yorkshire. Das UTC Scarborough verfügt über zahlreiche Industriepartner, die auch Geldmittel für die Ausstattung der Schule zur Verfügung stellen.

Die Schüler haben zwei wunderbare Wochen ihres jungen Lebens in Scarborough verbracht.Sie haben Freunde gewonnen, sind eingetaucht in das englische Schulsystem, das sich doch um einiges von unserem unterscheidet. Sie haben Erlebnisse und Eindrücke gesammelt, die sie ein Leben lang mit sich tragen werden, die eine Bereicherung darstellen, und die sie, wenn sie dann eine Familie haben, ihren Kindern erzählen werden, die dann vielleicht selbst an einer Schule sind, die junge Menschen nach England entsendet.

Für die HTL Ferlach sind neue Beziehungen entstanden, neben dem UTC kennt uns nun auch die Universität HULL und die Firma Unison. Auch wir haben Freundschaften geschlossen mit den Lehrern am UTC, John werden wir wohl bald wieder treffen, wenn er sein Haus im Gailtal aufsucht.

Eine besondere Ehre für uns war es auch, dass Axel Zafoschnig von der Bildungsdirektion Kärnten eine ganze Woche mit uns in Scarborough verbracht hat, um das Programm, das die Schüler durchführen, zu beobachten und vor allem auch um die Verbindung mit dem UTC Scarborough und den österreichischen HTL´s zu verstärken. Lee Kilgour, der Direktor von Scarborough, und Axel Zafoschnig kannten sich von einem früheren Projekt zwischen der HTL Mödling und der „Aston University Engineering Academy“ in Birmingham.

Mateja Lipović und ich, der die zweite Woche mit den Schülern verbracht hat, sind tief beeindruckt vom Verlauf dieser zwei eindrucksvollen Wochen, von der Vorbereitung durch John Connell, der Hilfsbereitschaft und dem Einsatz der Lehrer vor Ort und vor allem von unseren Schülern, die sofort der englischen Kultur folgten und in eleganter Kleidung den Unterricht besuchten. Ihr Einsatz, ihr Geschick im Umgang mit Werkzeugen, ihre Freundlichkeit und ihre Pünktlichkeit wurde von allen in den höchsten Tönen gelobt. Einen großen Teil der „Mühen“ übernahmen schließlich die Gastfamilien, die „unsere Kinder“ versorgten, mit Speis, Trank und menschlicher Wärme.

AV Dr. Felix Poklukar

Folgende Schüler nahmen teil: Clemens Napotnik, Michelle Melcher, Philip Wiedemaier, Stjepan Zuna, Christoph Golker, Marcel Schmautz, Robin Schuster, Sebastian Auer, Nicolas Streitmeier, Peter Thurner: Sie scheinen in dieser Reihenfolge von links nach rechts am Bild auf. Ebenfalls auf dem Bild: MatejaLipović, Axel Zafoschnig, Bill Betts, Felix Poklukar

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